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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.10.2007
Aktenzeichen: 2 AR 42/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 788 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 764 Abs. 2 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 2 AR 42/07
In Sachen
hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 19. Oktober 2007 durch die Richter am Kammergericht Franck, Dittrich und Dr. Glaßer beschlossen:
Tenor:
1. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
2. Die Sache ist weiterhin beim Amtsgericht Charlottenburg anhängig.
Gründe:
I.
Die Parteien haben in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin (Az. 22 O 512/04) einen Prozessvergleich geschlossen, in dem sich die Antragsgegnerin u.a. verpflichtete, einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehles zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zurückzunehmen (Ziffer 3 des Vergleichs) und die vollstreckbare Ausfertigung eines gerichtlichen Urteils herauszugeben (Ziffer 4 des Vergleichs). Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin drohte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29. März 2005 die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 3 des Vergleichs an und mit Schreiben vom 18. April 2005 die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 4. Auf die Androhung folgten keine Vollstreckungsmaßnahmen. Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag begehrt die Antragstellerin gemäß §§ 788, 104 ZPO die Festsetzung der Kosten, die ihr infolge der beiden Vollstreckungsandrohungen entstanden sind.
Das zunächst mit der Sache befasste Amtsgericht Charlottenburg und das von diesem für zuständig gehaltene Landgericht Berlin habe sich die Sache wiederholt - teils durch Verfügung, teils durch Beschluss - gegenseitig hin- und zurückübersandt. Schließlich legte das Amtsgericht die Sache dem Kammergericht zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO vor. Das Amtsgericht ist - mit einer landgerichtlichen Entscheidung in anderer Sache (Az. 53 AR 8/05) - der Auffassung, das auf die Kosten der bloßen Vollstreckungsandrohung § 788 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar sei, weshalb für deren Festsetzung nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Prozessgericht zuständig sei. Das Landgericht vertritt vorliegend den gegenteiligen Standpunkt.
Der Antragsgegnerin wurden weder die Antragsschrift noch die diversen gerichtlichen Entscheidungen betreffend die Zuständigkeit zugestellt; ihr ist die Sache - soweit aus der gerichtlichen Akte ersichtlich - bislang unbekannt.
II.
1.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht gegeben. Denn es liegen keine "rechtskräftigen" Entscheidungen vor, in denen sich die streitenden Gerichte für unzuständig erklärt haben. Eine "rechtskräftige" Entscheidung im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO setzt voraus, dass sie beiden Parteien mitgeteilt wurde; die Mitteilung an nur eine der Parteien genügt nicht (BGH MDR 1995, 739 [739]; BayObLG, BayObLGR 2003, 167 [167]; KG, KGR 2001, 268 [268]).
2.
Vorsorglich weist der Senat auf Folgendes hin:
a)
Hinsichtlich der Kosten wegen des Schreibens vom 18. April 2005 (Ziff. II des Festsetzungsantrages) ist nach Auffassung des Senats - entgegen der Auffassung des Landgerichts in der Sache Az. 53 AR 8/05 - das Amtsgericht Charlottenburg analog § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuständig. Dem entspricht die in der Kommentarliteratur vertretene Auffassung, wonach § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO über seinen Wortlaut hinaus auch die Zuständigkeit desjenigen Amtsgerichts begründet, in dessen Bezirk die Vollstreckungssache gemäß § 764 Abs. 2 ZPO anhängig gemacht werden könnte (Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 788 Rdnr. 40; Saegner in Saenger, ZPO, 2. Aufl. 2007, § 788 Rdnr. 39; vgl. auch die Entscheidung BGH FamRZ 2004, 101, in der der Bundesgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall zwar lediglich über das Eingreifen von § 788 Abs. 1 ZPO zu entscheiden hatte, die Zuständigkeit der handelnden Vollstreckungsgerichte aber - freilich undiskutiert - unbeanstandet gelassen hat). Der hier vertretenen Auffassung steht zwar zunächst der Wortlaut des § 788 Abs. 2 ZPO, wonach es Tatbestandsvoraussetzung dieser Vorschrift ist, dass "eine Vollstreckungshandlung anhängig ist", entgegen. Für die Auffassung des Senats spricht jedoch der Umstand, dass § 788 Abs. 2 ZPO auf § 788 Abs. 1 ZPO Bezug nimmt und daher zu vermuten ist, dass der Gesetzgeber für alle Fälle des § 788 Abs. 1 ZPO eine Zuständigkeitsregelung in § 788 Abs. 2 ZPO schaffen wollte. Dabei ist im Hinblick auf § 788 Abs. 1 ZPO mit BGH FamRZ 2004, 101 [101] davon auszugehen, dass die Kosten der Vollstreckungsandrohung - soweit sie "notwendig" im Sinne von § 91 ZPO sind - "Kosten der Zwangsvollstreckung" gemäß § 788 Abs. 1 ZPO sind. Denn die Kosten der Vollstreckungsandrohung können schwerlich Kosten des Erkenntnisverfahrens sein und wären daher nur mittels erneuter, diesbezüglicher Klage zwangsweise geltend zu machen, wenn § 788 Abs. 1 ZPO nicht eingriffe, was dem Regelungszweck des § 788 Abs. 1 ZPO widerspräche. Damit müssen die Kosten der Vollstreckungsandrohung auch § 788 Abs. 2 ZPO unterliegen.
Im Übrigen lässt sich die örtliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, in dessen Bezirk die angedrohte, aber nicht beantragte Vollstreckungshandlung vorzunehmen wäre, in aller Regel hinreichend genau bestimmten. Daher ist auch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten nicht von einer Anwendung des § 788 Abs. 2 ZPO in bloßen Androhungsfällen Abstand zu nehmen ist. So ist im vorliegenden Fall der angedrohten Herausgabevollstreckung nach § 883 ZPO derjenige Ort maßgebend, an dem sich der herauszugebende Gegenstand befindet. Bei einer Urkunde, die sich im Besitz des Herausgabeschuldners befindet, ist dies der Schuldnerwohnsitz; vorliegend mithin Charlottenburg-Wilmersdorf. Auch bei der Androhung einer Vollstreckung wegen einer Geldforderung in Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 828 ff. ZPO) enthält § 828 Abs. 2 ZPO eine eindeutige Regelung der örtlichen Zuständigkeit. Unsicherheiten bestehen lediglich bei einer nicht näher spezifizierten Androhung der Vollstreckung wegen einer Geldforderung in die körperliche Sachen des Schuldners (§§ 808 ZPO, §§ 864 ff. ZPO), falls sich die Sachen in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte befinden. Diese Frage wird zu gegebener Zeit zu klären sein.
b)
Hinsichtlich der Kosten wegen des Schreibens vom 29. März 2005 (Ziff. I des Festsetzungsantrages) ist das Landgericht Berlin - unabhängig von der oben erörterten Streitfrage - zuständig. Denn das Schreiben hat allenfalls die Androhung einer Vollstreckung nach § 888 ZPO zum Gegenstand, so dass das Landgericht entweder nach § 788 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder - soweit § 788 Abs. 2 ZPO auf die Festsetzung der Kosten der bloßen Vollstreckungsandrohung nicht anwendbar ist - entsprechend § 103 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuständig ist. Damit ist nicht gesagt, dass die Kosten der Vollstreckungsandrohung trotz des § 894 ZPO "notwendig" im Sinne von § 91 ZPO waren; hierüber wird im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden sein.
Das Amtsgericht Charlottenburg wird daher das Verfahren zu trennen haben und den einen Teil auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers an das Landgericht verwiesen (s.o., lit. b), während der andere Teil bei ihm anhängig bleibt (s.o., lit. a).
Ende der Entscheidung
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